Unter Redaktion versteht man das Überarbeiten, Umgestalten und Verbessern eines Textes zum Zweck, ihn zu veröffentlichen. Fließend sind deshalb die Übergänge zwischen Lektorat, Redaktion und dem eigenständigen Verfassen von Texten – auf die Tiefe des Eingriffs kommt es an.
Als Lektorin sehe ich meine Aufgabe in der Sprachpflege. Wer bei Sprachpflege an Denkmalpflege denkt, liegt nicht ganz falsch. Aber im Unterschied zu Denkmälern (Denkmalen) ist Sprache ein äußerst dynamisches, immer in Bewegung befindliches Gebilde. Umso mehr gilt dies bei(m) Texten für das Internet, das unablässig neue Inhalte, den sogenannten Content, fordert und zugleich hervorbringt.

Hier kommt es darauf an, für jeden Text, jeden Verwendungszweck und jedes Medium den richtigen Ton zu treffen. Während es bei der Bezeichnung eines Textes für ein Onlineportal angebracht sein kann, von »Content« zu sprechen, ist im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Artikeln, je nachdem, entweder »Text« oder »Inhalt« vorzuziehen.
Gerade vor dem Hintergrund der künstlichen Intelligenz (KI) ist es umso entscheidender, dass die Sprache noch von Menschen gepflegt wird: Denn haben sich die Maschinen einmal der im Netz kursierenden Sätze bemächtigt, wird nur das umgewälzt, was bereits da ist. Deshalb macht die Wahl des jeweils passenden Begriffs den Unterschied. (Oder dürfen wir der KI doch mehr zutrauen?)
Natürlich beschränkt sich das Texten, Redigieren oder Lektorieren nicht auf die Wahl des richtigen Wortes oder Begriffs. Denn Texte bestehen aus Wörtern, die ihrerseits zu Sätzen aneinandergereiht werden. Diese Anordnung gilt es zu betrachten.
Ein paar Bemerkungen zu der Länge von Sätzen: Entgegen einer heute weit verbreiteten Überzeugung sind kürzere Sätze nicht unbedingt die besseren Sätze. Um die »ideale« Länge eines Satzes zu beurteilen, sollte man mindestens vier Faktoren berücksichtigen:
- die Sorte von Text, um die es geht (Werbetext, Wissenschaftstext, belletristischer Text etc.),
- die Struktur des Satzes an sich,
- die Position des Satzes innerhalb des umliegenden Textgefüges sowie
- ob der Satz – bei längeren Sätzen – eher parataktisch (mehrere beigeordnete, durch Komma, »und« bzw. »oder« verbundene Hauptsätze) oder hypotaktisch (mit untergeordneten Nebensätzen) organisiert ist.

Aus dem Mosaik solcher mehr oder weniger bewusst gefällter Entscheidungen ergibt sich der Stil: Je weiter man sich von reinen Gebrauchstexten wie Mailings oder allerhand Broschüren entfernt, umso individueller darf er sein. Und dass Stil nicht nur mit Mode, Einrichtung und Texten, sondern auch etwas mit Mut zu tun hat, davon ist in diesem Artikel die Rede. Erschienen ist er im Magazin Soziopolis.
Bildnachweis:
John Ruskin, http://www.lancs.ac.uk/users/ruskinlib/Pages/italy.htm. Gemeinfrei.
Dr. Dagmar Bruss Lektorat Text Übersetzung
Text und Redaktion